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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 2 Ss 548/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 267
StGB § 263
Erfolgt seitens des Gerichts eine Verlesung früherer schriftlicher Aussagen des Angeklagten muss das ursprünglich von diesem zu seiner Verteidigung Vorgebrachte in den Urteilsgründen auch Erörterung finden.
Beschluss

Strafsache

wegen Betruges

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts B. vom 19. Juni 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 02. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts B. zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Angeklagten sind vom Amtsgericht vom Vorwurf des Betruges frei gesprochen worden. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die Angeklagten wegen eines Betruges im besonders schweren Fall zu einen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hiergegen richten sich nun noch die Revisionen der Angeklagten, mit denen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat schon mit der formellen Rüge Erfolg. Die mit der Sachrüge angesprochenen Fragen können daher letztlich dahinstehen.

1. Die übereinstimmende formelle Rüge der Angeklagten. mit der geltend gemacht wird, das Landgericht habe § 261 StPO dadurch verletzt, dass es rechtsfehlerhaft versäumt habe, verlesene schriftliche Erklärungen der Angeklagten aus dem erstinstanzlichen Verfahren zu würdigen.

a) Der Revisionsvortrag genügt insoweit den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, so dass die Verfahrensrügen zulässig erhoben sind.

b) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Im Berufungsverfahren haben sich die Angeklagten nicht zur Sache eingelassen, nachdem sie in der Hauptverhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht in den Akten befindliche schriftliche Erklärungen abgegeben hatte, in denen sie den Tatvorwurf bestritten und näher angaben, dass die Anzeigen und Bandtexte nicht dazu gedient hätten, Kunden zu täuschen. In den Erklärungen wird unter Bezugnahme auf Erfahrungen mit den Straßenverkehrsämtern dargelegt, weshalb die Geschäftsidee der Angeklagten auch ohne die Erweckung eines Irrtums für Kunden nutzbringend und so erfolgreich sein konnte: Insbesondere hätten präzise Vorabinformationen empfindliche Wartezeiten und zunächst nutzlose Besuche des Straßenverkehrsamtes verhindern können, zumal telefonische Informationen der Ämter oftmals erst spät oder nicht zu erreichen gewesen seien. Das Landgericht hat diese schriftlichen Erklärungen verlesen und damit zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Überdies hat es das frühere Urteil verlesen, das sich mit diesen Einlassungen auseinandersetzte.

Eine solche, zunächst als reine Sachrüge und wegen der Bezugnahme auf Aktenbestandteile als unzulässig anmutende Rüge ist als besondere Form der Verfahrensrüge zulässig (vgl. BGH StV 1988, 138 f. m. zust. Anm. Schlothauer; 1989, 423 f.; 1990, 485; 1991, 548; 549; 1993, 459; 2002, 12; 2003, 318 f.; siehe auch OLG Zweibrücken StV 1994, 545, 546; OLG Karlsruhe StV 1999, 139 ff. m.w.N.; 2000, 658; erläuternd Widmaier/Widmaier, Münchner Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 9 Rn. 126, 128, 137; krit. aber letztlich nicht verwerfend Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 261 Rn. 38a). Dies gilt hier jedenfalls deshalb, weil vorliegend Relativierungen der vom Landgericht eingeführten früheren Angeklagteneinlassungen in der Hauptverhandlung durch die Angeklagten selbst angesichts ihres Schweigens in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sind, so dass keine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung erforderlich ist.

Begründet ist diese Rüge dann, wenn das Gericht das verlesene Schriftstück und seinen Inhalt - hier die früheren Angeklagteneinlassungen - außer Acht gelassen hat, obwohl sich nach den Umständen und der gesamten Beweislage die Notwendigkeit der ausdrücklichen Auseinandersetzung unmittelbar aufdrängte (vgl. Widmaier/Widmaier, a.a.O. § 9 Rn. 128), also ohne diese keine hinreichend vollständige Erörterung zu verzeichnen ist (vgl. BGH StV 1988, 138 f.; 1990, 485; 1993, 459; OLG Karlsruhe StV 1999, 139, 140). Dabei können gerade auch ungenügende oder fehlende Erörterungen zu Einlassungen des Angeklagten Rechtsfehler bei der gerichtlichen Beweiswürdigung darstellen (vgl. etwa BGH StV 1983, 8; Widmaier/Widmaier, a.a.O., § 9 Rn. 137; vgl. auch Meyer-Goßner/Appl, Urteile in Strafsachen, 27. Aufl., Rn. 359, wonach alle Äußerungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind).

Die Angeklagten rügen die nicht erfolgte Berücksichtigung bezüglich der bestreitenden Erklärungen der Angeklagten, in denen diese erläutern, warum die Anzeige- und Bandtexte so und nicht anders geschaltet wurden. Das Gericht hat - wie die Revisionen zutreffend vortragen - diese nicht ausdrücklich in den Gründen erörtert, vielmehr selbst nach dem allgemeinen Pauschalverweis auf die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel festgehalten, es lägen ihm keine Angaben der Angeklagten zur Sache vor.

Das Vorgehen des Gerichts ist nach § 261 StPO als rechtsfehlerhaft zu beurteilen. Die Verlesung und Verwertung der früheren schriftlichen Aussage der Angeklagten war zulässig (zur Befugnis zur Verlesung vgl. BGHSt 39, 305, 306; OLG Zweibrücken StV 1986, 290 f.). Erfolgt eine Verlesung seitens des Gerichts, muss das ursprünglich von den Angeklagten zu ihrer Verteidigung Vorgebrachte auch Erörterung finden (vgl. auch Meyer-Goßner/Appl, a.a.O., Rn. 359) Die Entscheidungsgründe müssen sich mit Verteidigungsvorbringen des Angeklagten auseinandersetzen. Dies ergibt sich hier im Besonderen daraus, dass das Landgericht zum einen eine lediglich konkludente Miterklärung und eine gezielte Textabfassung zur Täuschung indiziell begründet annehmen will. Gegen diese sprechen aber die von den Angeklagten näher dargelegten und mehr als nur plausiblen Gründe für eine täuschungslos erfolgreiche Geschäftsidee und für die Abfassung der Anzeigen in erheblichem Maße. Zum anderen hat das Gericht beim Schluss auf den Tatvorsatz und die Bereicherungsabsicht ausdrücklich allein auf die "geschickte Platzierung" der Anzeigen abgestellt, für die gerade in den früheren Einlassungen nahe liegende Erklärungen unterbreitet werden, die diese tragende Erwägung in erheblichem Maße in Frage stellen, weil die Eintragungen schlicht dem Geschäftsgegenstand entsprachen und es an Alternativen mangelte. Auch wenn keine aktuellen Einlassungen gegeben wurden, lagen dem Landgericht so doch entlastende Angaben vor, die von den Angeklagten herrührten. Diese betrafen die wesentlichen Tatfragen und stellten diese in ein ganz anderes Licht, als das Landgericht sie gestellt wissen wollte und gestellt hat. Die verlesenen Ausführungen blieben trotz des Schweigens verfahrensrelevantes Verteidigungsvorbringen. Dabei wäre auch zum Gewicht dieser Verteidigungsausführungen zu bedenken gewesen, dass die I. GmbH ihr Geschäft nach den Feststellungen auch ohne die seitens des Gerichts angenommene Täuschung noch bis immerhin Ende 2005 weiter betreiben konnte, ohne dass eine Veränderung des Geschäftsgegenstandes festgestellt geworden wäre.

Die sich hier aufdrängende Erörterung der Erklärungen wäre auch ohne Konflikt mit dem Gebot, das Schweigen der Angeklagten zu respektieren, möglich gewesen, da es nur um eine Berücksichtigung zugunsten der Angeklagten geht: Die früheren Aussagen, die nahe liegende andere Sachverhalte zur konkludenten Erklärung und zu den subjektiven Tatvoraussetzungen unterbreiten, hätten als Prüfsteine für eine objektiv hinreichend überzeugungstaugliche Beweiswürdigung genommen werden sollen und müssen.

Ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler ist nicht auszuschließen: Es erscheint möglich, dass sich das Landgericht bei einer näheren Erwägung und Erörterung nicht von der konkludenten Täuschung, vom Tatvorsatz und von der Bereicherungsabsicht überzeugt hätte.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die mit der Sachrüge gemachten Ausführungen auf Folgendes hin:

a) Nach Auffassung des Senats geht das Landgericht auf der Grundlage der derzeit getroffenen Feststellungen zutreffend davon aus, dass eine Täuschungshandlung der Angeklagten im Sinn von § 263 StGB anzunehmen ist. Zu Recht hat das Landgericht in dem Zusammenhang auf die Grundsätze der so. Insertionsentscheidung des BGH abgestellt (BGHSt 47, 1 = NJW 2001, 2187).

Zum Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Die Angeklagten, die einen gemeinsamen Kfz-Zulassungsdienst betrieben, gründeten von Januar bis Februar 2001 in Herne-Wanne die I. GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Erteilung telefonischer Auskünfte zu Kfz-Formalitäten, Zulassungs- und Führerscheinangelegenheiten sowie allgemeine Informationen zu Straßenverkehrsämtern war. Hierzu hatten die Angeklagten bereits im Herbst 2000 über die E. GmbH die 0190-Rufnummer XXXXXXX anngemietet. Über die E. GmbH wurden für die Angeklagten auch die erforderlichen Bandansagetexte aufgenommen. Die Angeklagten veranlassten unter der Bezeichnung "XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX" in zahlreichen deutschen Städten Einträge in die Telefonbücher sowie in Telefondatenbanken im Internet, wobei der Eintrag jeweils eine Rufnummer des jeweiligen Ortsnetzes angab. Für Anrufe dieser Rufnummern schalteten die Angeklagten folgenden Bandansagetext:

"Sehr geehrter Mitbürger!

Unter der Ihnen gleich mitgeteilten Service-Hotline, die speziell für ihre Anfragen eingerichtet wurde, erhalten Sie sämtliche Informationen zu den Führerschein- und Kfz-Formalitäten an ihrem Straßenverkehrsamt.

Weiterhin erhalten sie die Öffnungszeit sowie die Anschrift und haben die Möglichkeit, persönlich mit einem unserer freundlichen Sachbearbeiter ihr Anliegen zu besprechen. Wir helfen Ihnen gerne weiter.

Bitte wählen Sie folgende Rufnummer: XXXXXXXXX. Ich wiederhole: XXXXXXXXX.

Wir möchten Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, dass die Gebühr mit DM 3,63 pro Minute abgerechnet wird.

Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Auf Wiederhören".

Ab Januar 2002 modifizierten die Angeklagten den Bandansagetext wie folgt:

"Wir möchten Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, dass lediglich 1,86 € pro Minute in Abzug gebracht werden.

Oder besuchen Sie uns doch im Internet unter www.sva24.de."

Wurde die angemietete Rufnummer XXXXXXXX angewählt, schalteten die Angeklagten folgenden Bandansagetext:

"Guten Tag!

Sie sind mit der Informationszentrale für Kfz-Formalitäten und Kfz-Zulassungsangelegenheiten verbunden.

Bevor Sie alle Informationen zu sämtlichen Kfz-Formalitäten erhalten oder zu einem unserer Sachbearbeiter durchgestellt werden, möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass die Gebühr DM 3,63 DM pro Minute beträgt.

Wählen Sie bitte aus den nun folgenden Menüpunkten: ..."

Es folgten insgesamt zehn Wahloptionen, die jeweils den Zugang zu bestimmten Fragenkreisen rund um die Kfz-Zulassung eröffneten. Die zehnte und letzte Option gewährte den Zugang zu einem Sachbearbeitergespräch. Bei der Anwahl der ersten neun Menüoptionen konnten im Ansagetext angekündigte Informationen zu einzelnen Komplexen aus dem Arbeitsbereich des Straßenverkehrsamtes abgehört werden.

In der Folgezeit wurde der bei der Anwahl der 0190-Nummer abzuhörende Bandansagetext von den Angeklagten wie folgt geändert und ergänzt, indem der folgende Text dem Menü vorgeschaltet wurde:

"Guten Tag und herzlich willkommen bei der Informationszentrale für Kfz-Formalitäten, Führerscheinangelegenheiten sowie sämtlichen Infos rund um Ihre Kfz-Zulassungsstelle.

Bevor wir Ihnen sämtliche Informationen liefern oder Sie zu einem unserer Sachbearbeiter durchgestellt werden, möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass die Gebühr mit 3,63 pro Minute von der I. GmbH berechnet wird. Für weitere Infos zum Anbieter drücken Sie jetzt die 1".

Die Ansagetexte und die durchgeführten Veränderungen wurden durch die Angeklagten in Zusammenarbeit mit der Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamtes XX. erstellt, die hierfür von Januar 2001 bis Oktober 2001 eine genehmigte Nebentätigkeit bei der I. GmbH wahrnahm. Als Telefonisten beschäftigten die Angeklagten den für die Arbeit angelernten Computertechniker und Zeugen G., für den von XX. ein Ordner mit ca. 30 Seiten Informationen aus dem Tätigkeitsspektrum der Straßenverkehrsbehörden erstellt worden war. Zum Teil wurden Anfragen unter dem Menüpunkt "0" auch von einem der Angeklagten oder von XX. beantwortet. Der Zeuge G. hatte die Aufgabe, drei bis viermal jedes Jahr jedes einzelne Straßenverkehrsamt anzurufen, um dort neueste Informationen zum Beispiel zu den Öffnungszeiten zu erfragen.

Die veranlassten Einträge in die örtlichen Telefonbücher und in Telefondatenbanken riefen bei zahlreichen Personen den Eindruck hervor, dass es sich bei der angegebenen örtlichen Telefonnummer um die Nummer des örtlichen Straßenverkehrsamtes handelte, zumal die Rufnummer der Angeklagten auch bei der Eingabe von Suchbegriffen wie "Straßenverkehrsamt" oder "Führerschein" angezeigt wurde. Auch Mitarbeiter der Telefonauskünfte verwiesen auf Nachfrage nach der Rufnummer des örtlichen Straßenverkehrsamtes mitunter auf die jeweilige örtliche Rufnummer der I. GmbH. Zahlreiche Anrufer wählten die Nummer XXXXXXX in der Überzeugung, mit dem örtlichen Straßenverkehrsamt verbunden zu sein. Es kam in der Folgezeit zu zahlreichen Beschwerden von Anrufern, die geglaubt hatten, mit dem Straßenverkehrsamt bzw. einer Informationsstelle desselben verbunden gewesen zu sein und die mit dem Straßenverkehrsamt eine konkrete Frage hatten erörtern oder regeln wollen. Den Angeklagten war dabei bekannt gewesen, dass viele Straßenverkehrsämter in den jeweiligen örtlichen Telefonbüchern nur schwer, insbesondere sehr häufig nicht unter der Rubrik Straßenverkehrsamt zu finden waren. Die Angeklagten hatten die Ansagetext bewusst so konzipiert, dass bei vielen Anrufern der Eindruck entstand und sodann aufrechterhalten wurde, mit dem jeweiligen örtlichen Straßenverkehrsamt verbunden zu sein. Die Angeklagten handelten, um die erheblichen, anteilig an sie weitergeleiteten Telefongebühren zu erlangen, was sie nicht bzw. allenfalls in weit geringerem Umfang hätten erreichen können, wenn sie darauf hingewiesen hätten, dass es sich um einen privaten Auskunfts- / Informationsdienst handelte.

Das Landgericht führt insgesamt 21 Fälle auf, in denen nach seiner Überzeugung ein Betrug gegenüber dem jeweiligen Anrufer/der jeweiligen Anruferin begangen worden ist, wobei einmal nur von einem versuchten Betrug ausgegangen wird (). In drei Fällen waren die mitgeteilten Informationen falsch (Fälle 7, 15 und 18). In einem Fall konnte keine Antwort gegeben werden (Fall 17).

Innerhalb des Tatzeitraums von Januar 2001 bis Februar 2002 ergaben sich für die 0190-Rufnummer Gebühren in Höhe von insgesamt 760.989,00 €. In der Folgezeit wurden auf dem Zivilrechtsweg Verfahren gegen die I. GmbH durchgeführt. Das LG B. verurteilte die I. GmbH am 25. Juni 2002 in deren Rechtsstreit gegen die DSW (Deutscher Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V.) zur Unterlassung einer Werbung in Telefonbüchern oder sonstigen Telefonverzeichnissen, die nicht durch Angabe der eigenen Firma deutlich darauf hinweise, dass der Anschlussinhaber nicht die amtliche Kfz-Zulassungsstelle bzw. das kommunale Straßenverkehrsamt sei. In weiteren Verfahren wurden 2003 Vergleiche geschlossen, in denen sich die I. GmbH verpflichtete, ihre Verzeichniseinträge nicht mehr unter der Verwendung des Wortes Stadt und/oder bzw. Straßenverkehrsamt zu unterhalten, soweit keine unmissverständlichen Hinweise zum gewerblichen Dienst erfolgten. In der Folgezeit änderten die Angeklagten den Eintrag im Telefonbuch. In dem Telefonbuch für die Stadt B. 2004/05 (Nr. 30) findet sich in der entsprechenden Rubrik folgender Eintrag:

"Straßenverkehrsauskunft XXXXXXXXXX

I. GmbH Infoservice Kfz Zulassungs- und Führerscheinangelegenheiten"

Mit Beschluss des AG B. vom 28. Dezember 2005 (80 IN 690/05) wurde über das Vermögen der I. GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet."

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Annahme einer Täuschungshandlung durch das Landgericht nicht rechtfehlerhaft. Die entscheidende Parallele zu Insertionsrechtsprechung des BGH besteht in der "planvollen Missverständlichkeit", die auch den vorliegenden Fall kennzeichnet. Die Wertungen hinsichtlich der Täuschungshandlung sine zudem konkret für die unterbreitete Situation und für den hier anzunehmenden Adressatenkreis vorzunehmen. Dieser zeichnet sich durch seine unspezifische Durchmischung aus: Es geht weder um besonders belastete, noch um besonders aufmerksame Bürger, vielmehr ist der durchschnittlich gebildete und durchschnittlich geschäftserfahrene Bürger als Adressat zu betrachten, der anruft weil er eine zeitnahe Information wünscht. Dieser Bürger hört sodann eine bloß telefonische Information. Er muss diese im Angesicht seines typisch konkreten Anliegens- und Informationsinteresses zügig verarbeiten. Dies spricht dafür, dem Bürger hier nicht abzuverlangen, die für ihn aus der 0190-Rufnummer erwachsenden Zweifel in eine konkrete Prüfung umzusetzen, ob er nicht doch näher prüfen sollte, ob die entgeltliche Nummer tatsächlich die Verbindung mit dem örtlichen Straßenverkehrsamt herbeiführen wird.

Grundsätzlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen Vermögensschaden angenommen hat. Allerdings können in dem Zusammenhang die vom Landgericht nicht ausgewerteten Erklärungen der Angeklagten Bedeutung erlangen. damit wird sich das Landgericht in der neuen Hauptverhandlung noch weiter auseinandersetzen müssen.

b) Der Senat weist zusätzlich darauf hin, das ein Vermögensschaden auch damit begründet werden könnte, dass die Anrufenden infolge der Täuschung gerade ein entgeltliches Angebot im Gegensatz zu frei verfügbaren Angeboten der örtlichen Straßenverkehrsämter in Anspruch nahmen. Die Verfügbarkeit der mittelbar "verdeckten" unentgeltlichen Angebote könnte die Gegenleistung der I. GmbH objektiv entwerten.

Insoweit ist aber zu betonen, dass diese Erwägung wohl nur dann greifen könnte, wenn und soweit örtlich tatsächlich gleichermaßen erreichbare öffentlich-rechtliche Infoservices angeboten werden und dies festgestellt wird, was bislang nicht der Fall ist. Mehr noch scheint jedenfalls bei Ablauf der behördlichen Geschäftszeiten ein Bereich existent, in dem die "Entwertung durch den Vergleich mit dem kostenlosen Angebot" per se ausscheidet (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. 12. 2006, 5 StR 181/06 = HRRS 2007 Nr. 1 "Fall Hoyzer" ).

c) Der Senat weist zudem darauf hin, dass das Landgericht bislang keine näheren Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten getroffen hat, sondern lediglich die Unbestraftheit deren festgestellt hat. Eine Aufklärungsrüge ist zwar dahingehend nicht erhoben. Das Revisionsgericht kann jedoch auf der Grundlage der derzeitigen Feststellungen nicht überprüfen, ob persönliche Umstände und Verhältnisse der Angeklagten (mit)ausschlaggebend gegen die Annahme eines besonders schweren Falles gesprochen hätten. Vielmehr ist schon durch das angefochtene Urteil erwiesen, dass das Landgericht selbst gar keine - weiterhin gebotene (vgl. BGH NStZ 1984, 413; wistra 2001, 303 f.; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 263 Rn. 129) - ausreichende Gesamtwürdigung über den besonders schweren Fall angestellt haben kann, da diese eine Einbeziehung aller wesentlichen Gesichtspunkte einschließlich der Täterpersönlichkeit in die Gesamtwürdigung voraussetzt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 129). Es liegt mithin infolge der nicht auf ausreichender Tatsachengrundlage vorgenommenen Gesamtwürdigung ggf. auch hier ein Rechtsfehler vor.

Ende der Entscheidung

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